Blaues Wunder Meer

Von Milena Österreicher · · 2023/Jul-Aug
Bunte Unterwasserwelten: Von Arielle bis zum „Weißen Hai“ – in Sagen, Literatur und Popkultur omnipräsent. © Alex Mustard / Ocean Image Bank

Das Meer ist Faszinosum, Mythos, Urlaubsdestination: ein Aufriss und eine Sinnesreise.

Wir fahren ans Meer – so lautet auch diesen Sommer wieder das freudvolle Vorhaben vieler Menschen. In Österreich wollen laut Reisemonitoring des Mobilitätsclubs ÖAMTC knapp zwei Drittel der Menschen ihren Urlaub am Meer verbringen. Top-Destinationen: Italien und Kroatien.

Das Meer ist ein Phänomen, das wir mit allen fünf Sinnen erleben – und überwiegend mit positiven Gefühlen verbinden. Sei es das kalte Wasser, in das wir an einem heißen Sommertag gerne unseren Zehen halten. Der frische Wind, der durchs Haar fegt und einem den Duft des Meeres in die Nase treibt. Der salzige Geschmack, den wir beim Schwimmen auf der Zunge verspüren. Das Meeresrauschen, das entspannend auf uns wirkt. Oder der Blick in die Weiten des Horizonts, der den Geist beruhigt.

Menschen, die sich in der Nähe von Wasser befinden, verspüren laut Mediziner:innen weniger Stress und haben einen niedrigeren Puls sowie einen langsameren Herzschlag. Einer Studie der britischen University of Exeter aus dem Jahr 2019 zufolge verfügen Menschen, die an der Küste leben, über eine bessere mentale Gesundheit als jene im Landesinneren.

Im Mutterleib hören wir ähnliche Geräusche wie das Meeresrauschen. Es löst ein Gefühl der Geborgenheit aus. Wir wollen mit dem Meer verbunden sein, egal, ob Küstenbewohner:in oder nicht.

Im Weltstrom. Das Meer kann nachts geheimnisvoll leuchten. Die sogenannte Biolumineszenz entsteht durch winzig kleine Algen, die leuchten, wenn sie durch Bewegungen im Wasser angeregt werden. In der Wasserwelt kommunizieren Fische miteinander, Wale singen. Haie können sich aufblasen, wenn sie sich vor Feinden erschrecken. Die Wasserwelten faszinieren junge und alte Menschen.

„Die Oberfläche unseres blauen Planeten, der ja paradoxerweise ‚Erde‘ genannt wird, besteht zu mehr als 70 Prozent aus Wasser, und der überwiegende Teil dieses Wassers befindet sich in den Ozeanen“, schreibt Julia Schnetzer in ihrem Buch „Wenn Haie leuchten. Eine Reise in die geheimnisvolle Welt der Meeresforschung“.

Der Ursprung des Wortes „Ozean“ stammt vom altgriechischen Wort „Õkeanós“, was so viel bedeutet wie „der das Land umschließende Weltstrom“. Ozeane sind nicht nur ein Ort der Inspiration und Träume. Die unbändige Kraft in ihnen, in Strömungen und Wellen etwa, lassen sie Schauplätze zahlreicher Tragödien werden. Seesturm und Schiffbruch sind große Themen der Weltliteratur.

Das Meer kann nicht beherrscht werden und ist womöglich gerade deshalb Stoff unzähliger Sagen und Mythen. Schon im Gilgamesch-Epos, das als älteste schriftlich überlieferte Erzählung der Menschheit gilt – es wurde um 2.000 v. Chr. von einem babylonischen Dichter auf Tontafeln gemeißelt  – spielt es eine zentrale Rolle. Auch der antike griechische Dichter Homer beschrieb in seinem Epos „Ilias“ die dramatischen Abenteuer seines Helden Odysseus, die nicht zuletzt auf hoher See spielen.

Schwarze Meerjungfrau. In der Popkultur sind das Meer und reale wie fiktive Bewohner:innen omnipräsent – vom Filmklassiker „Der weiße Hai“ (das US-Original erschien 1975 unter dem Titel „Jaws“) bis hin zu Ernest Hemingway und seinem Roman „Der alte Mann & das Meer“, der 1954 den Nobelpreis für Literatur erhielt.

Ein interessantes Beispiel mit neuem Kontext ist die Meerjungfrau Arielle: Sie gleitet durchs Meer, ihren Fischschwanz zieht sie elegant hinter ihrem Körper her. Die roten Haare folgen den wellenartigen Bewegungen. Sie ist halb Mensch, halb Fisch. „Arielle, die kleine Meerjungfrau“ ist ein Zeichentrickfilm der US-amerikanischen Walt-Disney-Studios, der erstmals 1989 veröffentlicht wurde. Die Geschichte basiert auf dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ des dänischen Autors Hans Christian Andersen von 1837.

Ozeanische Tiefgänge  

Laura Burgers, Jessica den Outer  
Das Meer klagt an!  
Der Kampf für die Rechte der Natur  
S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2023, 126 Seiten

Ernest Hemingway  
Der alte Mann & das Meer  
Aus dem Englischen von Werner Schmitz
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2016, 160 Seiten

Frank Schätzing  
Der Schwarm  
S. Fischer Verlage, Frankfurt am Main 2005, 992 Seiten

Monique Roffey  
Die Meerjungfrau von Black Conch  
Aus dem Englischen von Gesine Schröder
Klett-Cotta, Stuttgart 2022, 240 Seiten

Rotraut Schöberl  
Meer Morde: Kriminelle Geschichten im und am Wasser  
Residenz Verlag, Wien 2023, 256 Seiten

Julia Schnetzer  
Wenn Haie leuchten
Eine Reise in die geheimnisvolle Welt der Meeresforschung  
Carl Hanser, Berlin 2021, 240 Seiten

Ende Mai 2023 brachte Disney nun die Realverfilmung heraus. Bereits vergangenes Jahr, als der Trailer zur Neuverfilmung des Klassikers erschien, gab es viel Aufsehen: Die Meerjungfrau in der Neuverfilmung war erstmals eine Schwarze Frau. Sie wird von der US-amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Halle Bailey gespielt. Schon bei der Veröffentlichung des Trailers gingen unzählige Videos mit Reaktionen von Kindern viral, die sich über die Schwarze Identifikationsfigur freuten. Manche Gemüter erhitzte die Vorstellung einer Schwarzen Meerjungfrau.

Globale Mythen. Dabei gibt es die Figur der Meerjungfrau in Mythologien und Folklore auf der ganzen Welt: In der Mythologie der Innuit ist Sedna ein göttliches Wesen, das über die Ozeane wacht. Ihr Körper besteht in Abbildungen meist aus einer Hälfte Mensch und einer Hälfte Orca-Wal. Die japanischen Ningyos stellen im Gegensatz zu den Disney-Normschönheiten eher Seeungeheuer dar: Sie sind Fische mit menschlichen Zügen, oft mit deformierten Gesichtern, knochigen Fingern und langen Krallen.

Ähnlich die Ji-Merdiwa, die die Aborigines in Australien als grausame und hässliche Wesen beschreiben. Dann gibt es noch die Mami Wata aus Westafrika: ein stolzes, mächtiges, weibliches Wasserwesen.

Auch wenn sich unzählige Sagen und Mythen um die Unterwasserwelt und ihre Lebewesen darin ranken, wissen wir genau genommen noch relativ wenig über das Meer als Ganzes. Denn während der Mensch bereits vor Jahrzehnten den Mond besucht hat, kennen wir die Tiefsee kaum. Vom Teil unterhalb einer Tiefe von mindestens 200 Metern sind uns nur etwa fünf Prozent bekannt.

Und das, obwohl die Ozeane eines der wichtigsten Ökosysteme der Erde sind und für viele Menschen eine entscheidende Rolle spielen: Rund 70 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Küstenregionen.

Wir brauchen die Ozeane. In den folgenden Beiträgen tauchen wir ein, in die vielfältigen Verflechtungen zwischen Mensch und Meer.

Milena Österreicher ist freie Journalistin und arbeitet überwiegend zu den Themen Menschenrechte, Feminismus, Gesellschaft und Migration.

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